Internationaler Führerschein

Meine naive Vorstellung: ich radle zum Bürgeramt in Hannover und beantrage den internationalen Führerschein einfach. Jemand check meinen alten Führerschein und stellt einen neuen aus.

Nach 30 Minuten gemeinsam mit vielen Leuten in der Warteschlange vom „Info Schalter“ erdet ein Beamter diese Illusion. Ich habe keinen Termin und ohne einen Termin sitze ich nicht bei einem Mitarbeiter der Stadt Hannover am Tisch, um dieses Anliegen vorzutragen. Termine gibt es eigentlich nur per Internet. Was machen Obdachlose ?

Ich beantrage daher einen Termin und der Beamte druckt mir eine Nummer auf ein Blatt Papier mit einem Datum. Welches fast drei Wochen in der Zukunft liegt. Ausserdem brauche ich eine Karteikartenabschrift vom Führerschein.

Karteikartenabschrift, was war das nun wieder ? Wir hatten doch das Jahr 2018 und nicht Kaisers Zeiten 1918. Jedenfalls ist damit gemeint, dass der Führerschein erneuerungswillige Kunde (nicht die Behörde) bei seiner damaligen Führerschein ausstellenden Behörde – anruft – sich durchfragt und eine Abschrift verlangt. Die wird dann an das Bürgeramt Hannover geschickt, aber nicht an den Kunden selbst. Das alles im Zeitalter von Internet und globaler Vernetzung.

Drei Wochen später:

Eigentlich plane ich nicht weit in die Zukunft. Ich bin eher spontan, aber pünktlich zur verabredeten Zeit suche ich das Bürgeramt auf. Frau Müller blickt traurig. Führerschein ja, international auch, aber hier in Hannovers Bürgerbüro sowieso nur bis 3,5 Tonnen. Ich brauch aber 7,5 Tonnen plus Anhänger. 7,5 hat der T244 abgelastet. Einen kleinen Anhänger oder gar den ebenfalls vorhandenen hauseigenen Humvee noch hinten dran zu hängen wäre eine Option.

Mir wird es so erklärt: grundsätzlich besteht keine Verpflichtung zum Umtausch des alten Führerscheins. Aausser: man will den Internationalen. Es werden auch die Klassen C1 und C1E unbefristet erteilt. Darum macht es der Staat so, dass für Mitbürger, die sich dem 50. Lebensjahr nähern, ein Gesundheitstest gemacht werden muss. Dies soll die gesundheitliche Eignung für das lenken eines solchen Fahrzeugs sicher stellen. Den speziellen Führerschein mit C1 und der Klasse CE79 müsste ich dann ausserdem im Ordnungsamt beantragen. Wofür selbstredend eine neue Nummer für einen Termin in kaum planbarer Zukunft fällig wird. Wie sich später herausstellen wird, stimmt das alles nicht so ganz, wie es mir zunächst mitgeteilt wird.

Daher geht es für mich zunächst zum Hausarzt. Bei meinem kann man zum Glück einfach so reinstolpern und los gehts.

Arzt: „Also hier steht, dass ich ihre Nierenfunktion und Endokrine Störungen begutachten soll, das geht nur mit einem grossen Blutbild. Dass sie nicht psychisch gestört sind, kann man hier ebenfalls ankreuzen, das glaube ich ihnen ja noch. Und wann war die letzte Impfung ?“

Ich lass daher eine Blutabnahme über mich ergehen, was ich nebenbei gesagt echt schlecht vertrage. Ich hab einen eher  niedrigen Blutdruck, bei mir ist alles auf low voltage und Energiesparen ausgelegt. Womit ich wirklich bestens und immer schön gechillt ohne sich unnötig aufzuregen durchs Leben komme. Organspende von mir aus, Blut Spenden: völlig verrückt. Und kalt duschen bitte auch nicht !

Also Blutabnahme: drei Ampullen Blut verkrafte ich gerade so im liegen und nach einer halben Stunde gehts auch wieder. Schweissausbrüche und Unwohlsein verziehen sich. Beim letzten Mal ging zum Schluss die Hörleistung runter, als hätte ich Watte in den Ohren. Davon blieb ich diesmal zum Glück verschont. Zurück ins Zimmer vom Arzt.

Arzt: „in ihrem Alter (über 45) empfehle ich eine Prostata Untersuchung durch abtasten, als Vorsorgeuntersuchung“.

Erinnern wir uns: Anfangs ging es nur um den Internationalen Führerschein, richtig ?

Ich war inzwischen links in den Arm gepickst worden wegen der Impfungen und rechts in den Arm gepickst worden um Blut abzuzapfen. Nun sollte auch noch mein Po mit dem ausgestreckten Zeigefinger untersucht werden ?

Das hatte mit meinem ursprünglichen Vorhaben rein gar nichts mehr zu tun und darauf hatte ich wirklich keine Lust. Lieber kreuzte ich auf dem Blutuntersuchungszettel noch weitere Optionen an wie diverse Tumor Marker Bestimmungen, alle möglichen Tests halt die unser Gesundsheitsystem bereit hält, wogegen der Arzt wiederum war. Wir plänkeln ein wenig herum, was nun medizinisch indiziert und/oder nicht indiziert wäre. Der Kompromiss war dann, den PSA Wert zu bestimmen (bei mir unauffällig) und den Zeigefinger vom Arzt dafür nicht in mein Rektum zu verbringen.

Beim Optiker: wir machen nur PKW Sehtests, nicht LKW.

Ich besuche das neu eröffnete Augen „Zentrum“ hier in Hannover Kleefeld und frage nach deren Meinung. Die Ärztin dort bestätigt mir, dass ein LKW Sehtest mehr abfragt als ein einfacher Führerschein Sehtest. So wird unter anderem das Gesichtsfeld (bei mir top) und die Sicht im Dunkeln (ebenfalls top) geprüft, ausserdem natürlich die Sehschärfe (bei mir naja ausreichend). Das ganze kostet 100 Euro aufwärts, die ich zu tragen hätte. Ich komme ins grübeln. Meine Augen sind beide wirklich nicht die tollsten. Seit der dritten Klasse Grundschule trage ich, stark kurzsichtig, eine Brille. Wahrscheinlich bringt das hier nix und die 100 Euros sind rausgeschmissenes Geld.  Ich fühle mich inzwischen wie ein kaputter Frisbee, der von einer Ecke zur nächsten geschleudert wird. Letztendlich entscheide ich mich, einfach Mal zur Fahrerlaubnisbehörde in Hannover „in den 7 Stücken“ zu fahren.

Immerhin lässt die Stadt Hannover verlauten, dass die Umstellung auf den Kartenführerschein (Vorstufe zum Internationalen Führerschein) keine Nachteile mit sind bringt. Die müssen es ja schliesslich wissen.

Während man im Bürgerbüro locker drei Wochen auf einen Termin warten muss, um egal welche Papiere zu beantragen, siehe oben, geht es in der Fahrerlaubnisbehörde fix zu. Nach Nummer ziehen und nicht Mal 10 Minuten warten stehe ich am Info Tresen. Was beweist, dass wir eben doch das Land der Autofahrer sind. Dem Auto wird alles geopfert und mit den Abgaswerten nehmen wir es auch nicht so genau. Aber: der positive Mehrwert ist dafür eine um den den Faktor 100.000 reduzierte Wartezeiten gegenüber dem trägen Bürgerbüro. Ich äussere meine Freude darüber – und mein Anliegen. Nur wollen mir die Leute dort ebenfalls keinen Führerschein mit 7,5 Tonnen plus Anhänger ausstellen bzw nicht ohne  Sehtest, den ich wohl sicher vergeigen würde.

Das Infoschreiben der Stadt Hannover sagt zum Umtausch vom alten zum neuen Führerschein allerdings ganz ausdrücklich, dass mir keinerlei Nachteile entstehen. Und dass sowieso keine Verpflichtung besteht (ausser man wünscht einen Internationalen Führerschein). Daher 1:1 Umtausch, mit den 7,5 Tonnen bitte plus Anhänger wie gehabt. Ich mache die Leute (inzwischen diskutieren wir schon zu dritt) auf diesen Widerspruch aufmerksam und zum Schluss wird als vierte Person im Raum die Abteilungs Chefin dazu geholt, die dann aber alles aufdröseln kann.

Es ist so: C1 (7,5 Tonner) und C1E (LKW mit Anhänger und maximal 11 Tonnen) wird unbefristet erteilt. Da hatte ich schon Mal recht. Das Führen von Zügen in der Klasse CE79 von 12 bis maximal 18,5 Tonnen muss bis zum 50 Lebensjahr beantragt werden. Ich bin 45, also wird es ohne Gesundheitszeugnis für 5 Jahre eingetragen.  Soweit ich es verstanden habe, gilt das aber alles nur für LKW und nicht für Sonder KFZ, unter dem manche ihren DAF laufen haben. Nach 5 Jahren heisst es: Verlängerung der Klasse CE79 nur mit Gesundheits und Sehtest. Damit bin ich nun zufrieden.

Der DAF T244 kann laut Eintragung maximal 3,5 Tonnen Anhänger ziehen, was reichen würde, um den Humvee hinter sich her zu schleppen.  Na gut, zumindest theoretisch, mit dem passenden Anhänger den ich überhaupt nicht hab … machen tut man das dann ja doch nicht. Da ich schon einmal dabei bin, beantrage ich zusätzlich noch den Führerschein Klasse T, wobei in meinem Fall in der nun entstandenen Runde der mündliche Antrag ausreicht. Mit der Klasse T darf ich noch Trecker und Forstfahrzeuge mit Anhänger fahren, zu forstwirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Zwecken. Mich hat in Strassenverkehr zwar die letzten 10 Jahre nie jemand daraufhin kontrolliert, ob ich überhaupt einen Führerschein habe und mitten im Wald dürfte das noch  unwahrscheinlicher sein – aber wer weiss, wozu die Klasse T vielleicht Mal gut ist.

Auch so ein Ding hier in Hannover: ich bin inzwischen drei Mal von der Polizei mit dem Fahrrad kontrolliert worden und hab unter anderem eine saftige Strafe für das Fahren auf der falschen Seite bezahlt – aber seit über 10 Jahren kurve ich mit diversen Autos (überladener Kleintransporter, mit den Auto unterwegs komplett übermüdet morgens um 4, Humvee in der Umweltzone) durch die Stadt, ohne je überhaupt nach einem Führerschein gefragt zu werden.

Ich: in den USA sind Waffen nicht reguliert, bei uns sind Autos nicht reguliert.

Ich bekommen einen neuen Termin, so fahre ich 2 Wochen später bei strahlend blauem Himmel erneut zur Fahrerlaubnisbehörde. Der Führerschein liegt bereit und voller Stolz nehme ich dieses hart erkämpfte Stück Plastik entgegen. Alles ist korrekt eingetragen, die für mich wichtigen 7,5 Tonnen stehen drin plus Anhänger und das mit dem Trecker fahren ist auch klar gegangen.

Dann geht alles ganz fix: das zusätzliche ausstellen vom Internationalen Führerschein dauert nicht einmal 10 Minuten. Routiniert tackert Frau Klein das mitgebrachte Passbild in den Lappen, stempelt alles ab und nimmt dafür gerade einmal 15 Euro. Auf ins EU Ausland !

Rückblick im Jahr 2021: inzwischen bin ich über 30.000 km kreuz und quer durch folgende Länder gefahren: Deutschland, Luxembourg, Türkei, Iran, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Belgien, Frankreich, Polen, Ukraine, Georgien.

Noch nie bin ich nach dem Internationalen Führerschein gefragt worden.

Update 2023: inzwischen ist der Internationale Führerschein abgelaufen …

2 Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag! Interessant zu lesen, dass du trotz der Reise in unterschiedliche Länder noch nie nach deinem internationalen Führerschein gefragt worden bist. Ich denke es ist wichtig, sich vor der Reise ins Ausland immer zu informieren. Vielen Dank für den Artikel!

    1. Es kommt noch besser. Inzwischen hab ich den Truck 75.000 km quer durch Europa bewegt und ich bin in den letzten 5 Jahren exakt ein einziges Mal nach dem normalen Führerschein gefragt worden. Das war während Corona auf einem französischen Campingplatz. Vermutlich ein Missverständnis.

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