Ein Roadtrip auf der ikonischen Route 66, im Süden der USA. Ich bin im Wüstenstaat Arizona unterwegs, um historische Abschnitte der Strecke zu befahren. Neben einer Spurensuche versuche ich den „Mythos Road 66“ zu ergründen. Warum ist diese Strecke ein solcher Anziehungspunkt für Touristen ?

Um zu verstehen, warum die Road 66 einen so legendären Ruf hat muss man in die jüngste Vergangenheit der USA eintauchen. Verbindungen von Ost nach West gab es seit der Zeit der Siedler, die ab 1850 nach Kalifornien, Oregon und Utah gezogen sind. Aber diese Tracks, auf denen die Spuren der von Pferden und Ochsen gezogenen Planwagen noch heute zu sehen sind (Artikel dazu) waren einfache Pisten oder Feldwege.
Die etwa ab 1935 vollständig auf einer Länge von fast 4000 Kilometern asphaltierte Route 66 war in der Hinsicht eine radikale, moderne Neuerung. In dieser Zeit wurden Autos für einen Grossteil der Bevölkerung erschwinglich. Amerika liess sich damit motorisiert bequem innerhalb von Tagen und nicht mehr in Monaten gerechnet durchqueren. Das war prägend für die jüngste Kultur der USA.
Bis in die 60er Jahre hinein war die Route 66 eine der wichtigsten Verbindungen von Ost nach West. Auf dieser Fernstrasse konnte man vom kühlen Chicago bis nach Texas oder Kalifornien reisen, wobei die Ausläufer der Rocky Mountains gerade so eben noch angeschnitten wurden. Strassen wie die Route 66 haben den Begriff des Roadtrips oder den des Roadmovies (Wikipedia) überhaupt erst ermöglicht und geprägt. Die Reise selbst wird dabei zu einer Metapher für grenzenlose Freiheit, Selbstfindung, Aufbruch, Abenteuer und überraschenden, unerwarteten Begegnungen –> on the road.
Reisende, die vor allem mit dem Auto unterwegs waren brauchten eine neue Formen von Infrastruktur: Tankstellen, eine Auto & Reifen Werkstatt, Diner, Schnellrestaurants, Motels. Speziell das aus dem Wort Hotel abgeleitete Motel (Motor Hotel) verdeutlicht die neu entstandenen Bedürfnisse.

Gefragt waren einfache, preiswerte Unterkünfte für die Durchreise, die hufeisenförmig rund um grosszügige Parkplätze angelegt waren. Mehr als ein einfaches Frühstück mit Kaffee Americano musste nicht serviert werden. Restaurants mit Drive in Ausgabe waren auf die Bedürfnisse der Auto Reisenden perfekt zugeschnitten. Die Route 66 war daher der Grundstein für Schnellrestaurants und eine neue, schnelle Form des Reisens im Automobil in einem schier endlos grossen Land.
Tatsächlich eröffnete das erste McDonalds Schnellrestaurant im Jahr 1940 in Kalifornien – an der Route 66.



Booster für dieses neue Konsumverhalten und den Mythos Route 66 waren bis in die 80er Jahre Filme wie „Easy Rider“, die mit einem fetzigen, unvergesslichen Soundtrack und markanten Harley Davidson Motorrädern auftrumpften. In neuerer Zeit für mich Filme wie „Paris, Texas“, diverse „Canonball“ Ableger, „Out of Rosenheim“ oder „Little Miss Sunshine“.
Besonders liebevoll rezitiert der Animationsfilm „Cars“ die Route 66.
Heutzutage ist es schwierig, intakte Abschnitte der Route 66 zu finden. Die zweispurige Road 66 ist längst der vierspurigen Interstate 40 gewichen, was dem gestiegenen Verkehrsaufkommen und der Notwendigkeit moderner Schnellstrassen in den USA geschuldet war. Das meiste ist überbaut worden, aber insbesondere in letzter Zeit wurde das touristische Potential der „US Road 66“ erkannt und vieles liebevoll restauriert.

Lange Abschnitte wie der zwischen Seligman und Oatman in Arizona auf dem Weg nach Las Vegas sind dagegen im Originalzustand erhalten. Während Flagstaff eher zarte Andeutungen macht hat sich die Stadt Williams vollständig der Route 66 verschrieben. Unzählige Souvenir Läden und Themen Restaurants huldigen dort der legendären Fernstrasse. Einerseits massives Merchandise & viel Road 66 Nepp, andererseits hat es mir tatsächlich Spass gemacht dort Abends unterwegs zu sein und in diesen Teil Amerikas einzutauchen.


Lohnt sich die Suche nach der legendären Route 66 heutzutage noch ?
Insgesamt ist die Suche nach der Route 66 eher etwas für Amerika Nostalgiker, spektakuläre Attraktionen sind spärlich. Es ist ein bischen so wie in Easy Rider. Dort vermissen die Protagonisten das ursprüngliche Amerika – mit uneingeschränkter Freiheit. Statt dessen stossen sie auf Hass und Ablehnung durch genau jene, welche sich die Freiheit und den Stolz auf Amerika auf ihre Fahnen geschrieben haben. Aber erbittert jeden bekämpfen, der sich diese Freiheit als langhaariger Motorrad Rocker oder Hippie tatsächlich nimmt.


Bellemont markiert mit 2175 Metern den höchsten Punkt der Route 66.

Beachte die Anspielung auf „Cars“. Position: 35.26026, -111.94832 (Google Maps)
Die Tankstellenmarkt „76“ gehört zusammen mit „Phillips 66“ (Wikipedia en) zum Conoco Konzern. Beide haben ihren Ursprung an der Westküste der USA mit Bezug zur Road 66.




Die gesamte Anlage steht auf der Kulturdenkmalliste der USA.


Der Souvenirladen hat eine über 75 jährige Geschichte und ist eine Mischung aus augenzwinkernder Touristenfalle und must-see Attraktion am Rande der historischen Road 66.
Die Marketingstrategie war aus der Not geboren, denn mit dem Bau der Interstate 40 blieben plötzlich die Kunden weg. Jahrelang haben Schilder am Strassenrand der Interstate 40 den Touristen versprochen, dort westlich von Joseph City etwas grossartiges zu entdecken – und dabei die Meilen runtergezählt.
Teilweise waren die Werbeschilder in 1500 km Entfernung aufgestellt.
Was vor dem Laden hockt will ich an der Stelle nicht verraten, fahr selber hin und sieh nach.

Durch das Wüstenklima perfekt erhalten. Es gibt Führungen, die ich mit rund 50€ aber sehr teuer fand. Preiswerter war es, sich mit der Drohne für 0€ einen Überblick zu verschaffen.

Irgendwie freut es mich, dass ikonische Fahrzeuge wie der VW Käfer oder der VW T2 Bus ein so integraler Bestandteil der amerikanischen Road 66 Kultur geworden sind.
Völlig undenkbar, das VW so etwas jemals wiederholen wird. Die bauen inzwischen für China und setzen langweiliges Design mit „bloss nix falsch machen“ gleich. Diktiert vom Marketing / Controlling, nicht mehr von Ingenieuren oder gar Visionären.
Das Zeitalter der innovativen Fahrzeuge mit Charakter ist bei VW schon lange Vergangenheit.

Winslow ist ein gutes Beispiel für einen Ort, der durch den Bau der Interstate 40 von den Reisenden der Route 66 abgeschnitten wurde. Das war für das lokale Beherbergungsgewerbe ein harter Schlag. Zunächst haben sie resigniert und die US 66 im Ort sogar einfach nur in „second street“ und „third street“ umbenannt.
Zum Glück hat inzwischen ein umdenken eingesetzt. Es gibt in Winslow ernsthafte Bemühungen, historische Orte mit Bezug zur Route 66 zu restaurieren und die US 66 im Stadtbild wieder etwas in den Fokus zu rücken.


Ich war am Rand der US 66 auf der Suche nach einem Amerika, welches die Easy Rider der 60er Jahre befahren haben. Gefunden habe ich dieses nicht mehr, dafür vor allem verlassene Streckenabschnitte der Road 66 und viel Kommerz.
In Kombination mit einem Road Trip, Selbstreflektion auf einer schier endlos langen Schnellstrasse und etwas Trucker Romantik macht die Reise auf den erhaltenen Abschnitten der US 66 trotzdem viel Spass. Aber wer versucht, in seinem knappen Jahresurlaub hastig die typischen Road 66 Fotomotive einzufangen wird vielleicht etwas enttäuscht sein.
Ein melancholischer und von schräger Rockmusik begleiteter Roadtrip mit Abstechern zu gelegentlich auftauchenden Wüsten Highlights … die man mit leicht überbelichteten Polaroid Schnappschüssen einfängt … Hmmm, könnte schon eher ein bleibendes Road 66 Feeling hinterlassen. Vielleicht gepaart mit einigen stimmigen Neonlicht Nachtaufnahmen. Insbesondere in Arizona drängt sich ein erkunden der Road 66 förmlich auf, dort gibt es noch sehr viel zu entdecken.
Interessante Webseiten zur Road66:
Road 66 Club in Deutschland: route66.club
Webseite der Historic Route 66 Association of Arizona: www.historic66az.com