Zur Zeit des kalten Krieges hatten Regierungen in Ost & West den gleichen Einfall. Um im Falle eines atomar geführten Krieges handlungsfähig zu bleiben brauchen die Spitzen Politiker und wichtigsten Militärs des Landes einen Atombomben sicheren, unterirdischen Bunker.
Für die Kanadische Regierung wurde dazu im verschlafenen Carp ein vierstöckiger, unterirdischer Komplex errichtet. Dieser ist komplett erhalten und enthält Unterkünfte für über 500 Personen, eine militärische Kommandozentrale, ein ziviles Lagezentrum, die 12 wichtigsten Ministerien, Generatoren, Zahnarzt und OP Saal, ein Rundfunkstudio und eine geräumige Kantine.
Auf der untersten Ebene befindet sich ein Tresor für die Goldvorräte der Bank of Canada. Die Tresortür ist fast einen Meter dick und sieht aus, wie aus einem James Bond Film.
Ich war dort und hab folgende Bilder und Erlebnisse mitgebracht:


Nach einem Atomschlag wäre eine Dekontamination von Neuankömmlingen obligatorisch gewesen, um keine strahlenden Partikel in den Bunker zu tragen. Dazu waren zwei Duschen – erst kalt, dann warm – vorgesehen und Tests mit Geigerzählern. Nur Personen mit geringfügiger oder gar keiner Kontamination wären komplett nackt durch die Schleuse ins Innere vom Bunker gelassen worden.



Bis zu 6 Patenten konnten in einem separaten Raum medikamentös ruhig gestellt und ärztlich überwacht werden. Oben auf dem Bild schaut ein Besucher vom Bunker durch das kleine Guckfenster in diesen speziellen Raum dafür. Oder eher: in die Gefängniszelle. Die Tür ist massiv, mit einer hohen Sicherheitsstufe.
Das alles ist im Originalzustand erhalten. Der Bunker wurde bis 1994 militärisch genutzt, unter anderem als Relais Station für militärische Kommunikation. 1998 wurde er von Freiwilligen in das Cold War Museum umgewandelt. Im Team der Freiwilligen sind viele ehemalige Arbeiter und Spezialisten aus dem Bunker, als dieser noch geheim war und militärisch aktiv genutzt wurde.
Tatsächlich aktiv und im Lockdown war der Bunker nur ein einziges Mal: während der Kubakriese (Wikipedia) im Jahr 1962.



Es wäre nur das auf den Teller gekommen, was zu dem Zeitpunkt im Bunker eingelagert gewesen wäre. Haltbare Konserven, nichts frisches.


Ich hab am ersten Tag eine Führung mitgemacht, um möglichst viel über den Bunker zu erfahren. Am Tag darauf bin ich alleine im Bunker herumgestreift. Mir kam der Bunker bei meinem Besuch riesig vor. Aber im realen Betrieb hätte sich das natürlich reduziert. Nicht alle Bereiche (z.B. Funk & Kommunikation) wären den Menschen im Bunker zugänglich gewesen.






Die 12 wichtigsten Ministerien Kanadas wären im Untergrund untergebracht worden, inklusive Schreibkräften, Sekretärinnen, Beamten, Sachbearbeitern. Daher besteht der Bunker zu einem grossen Teil aus Technik, Büros und Unterkünften.


Ein ähnliches Plakat hab ich im Atombunker Ligatne (Lettland) entdeckt, nur dass es dort die Russen waren, die wiederum Angst vor westlichen Geheimagenten hatten.


Die Bewohner vom Bunker hätten dagegen in Gruppen Unterkünften geschlafen: 6 bis 8 Personen pro Zimmer, mit einem Spind oder simplen Regalfach als einzigem Platz für persönliche Gegenstände. Bei voller Belegung wäre das „Hot Bunk“ Verfahren angewendet worden.
12 Stunden schläft Person A auf dem Bett, dann wird gewechselt und Person B hat das Bett für 12 Stunden. Oder 3 Personen teilen sich ein Bett und haben exakt 8 Stunden zum Schlafen oder ausruhen.
Mich würde das alles erheblich motivieren, keinen Atomkrieg anzufangen oder einen Atomkrieg billigend in Kauf zu nehmen.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es irgendwo auf der Welt eine solche Tresortür gibt. Eine meterdicke Tür, vier Schlösser für vier Personen, mehrere Tonnen schwer. Wie aus einem Superagenten / Superschurken Film.

Es ist möglich, durch den hohen Gang einmal um den geschützten Gold Tresor herumzulaufen. Die Spiegel sind so angeordnet, dass man vom Eingang aus komplett um den Goldtresor herumblicken kann. Es ist ziemlich faszinierend, jemanden mit einer Kerze oder Handy Taschenlampe loszuschicken um einmal um den Tresor herumzulaufen. Die Person ist stets in den Spiegeln zu sehen.

Der gesamte Bunker ist in Kies gelagert und dafür ausgelegt, durchgeschüttelt und im Berg ein paar Zentimeter verschoben zu werden.
Ein grosser Teil der Technik im Maschinenraum wurde verwendet, um Luft zu filtern. Die Anlage war dafür ausgelegt, 3 Tage lang die interne Luft aufzubereiten. So wäre das Entfernen von CO2 aus der Atemluft zunächst am wichtigsten gewesen. Im Grund die gleiche Technik, die in einem U-Boot zum Einsatz kommt. Dann wurde auf die Filterung von Aussenluft umgeschaltet. Mehrstufige Filtersysteme aus Mikrofiltern, Kohlefiltern und Filtern die mit Wasser gearbeitet haben hätten radioaktiven Staub und giftige Gase aus der Atemluft entfernt.
Ich hab dort unten sogar eine eigene Dusche für die Arbeiter entdeckt, die für die Wartung und den Austausch der Filter zuständig gewesen wären.

Wenn ich mir diesen riesen Motor so anschaue glaube ich nicht, dass es im Bunker besonders leise gewesen ist.
Technisch war der Bunker für 530 Personen ausgelegt, mit Vorräten für 30 Tage. Nach einem Monat wären die Vorräte wie Nahrung und Treibstoff aufgebraucht und die Luft Filter erschöpft gewesen. Die Insassen im Bunker hätten dann an die Oberfläche gemusst – in eine möglicherweise für immer veränderte, menschenfeindlich gewordene Welt.
Struktureller Aufbau vom Diefenbunker
Mit seinen vier Stockwerken zählt der Diefenbunker zu den weltweit grössten unterirdischen Anlagen, die zur Zeit des kalten Krieges gebaut wurden. Kanada hat in dieser Zeit weit über 50 militärische Bunker errichtet: Waffenlager, Depots, Funkstationen, Kommandobunker. Der offizielle Zweck des Diefenbunkers war eine Funk Relaisstation für die verschlüsselte, militärische Kommunikation. Herz der Anlage war dazu das Rechenzentrum auf Ebene 300. Dass der Bunker abgesehen von der „Relaisstation“ noch einen ganz anderen Zweck hatte, war jedoch geheim.
Auf der obersten Ebene 400 befinden sich der Eingang, die Dekontamination, der Notausstieg und medizinische Einrichtungen. Darunter, auf Ebene 300 sind die Büros der Ministerien, das Zivilschutz Lagezentrum, das militärische Lagezentrum und das Rechenzentrum.
Auf Ebene 200 ist die Kantine untergebracht und viele Quartiere. Die unterste Ebene 100 ist der Maschinenraum des Bunkers mit Stromgeneratoren, Filtern für die Luft, zwei Wasser Brunnen, Kühlraum und dem gigantischen Goldtresor der Bank of Canada.
Aus der Luft sieht die Anlage wie folgt aus:

Unten rechts ist der Helikopter Landeplatz und der bewachte Eingang. Unten links ist der Eingang zur Garage, die (so weit ich weiss) keine direkte Verbindung zum Bunker hat. In der Garage stand ein Bulldozer und ein Helikopter. Nach einem Angriff auf den Bunker wäre es möglich gewesen, Leute über die Notausstiege rauszuschicken um mit dem Bulldozer eventuell verschüttete Eingänge freizuräumen.

P in blau sind die damaligen / heutigen Parkplätze. Links oberhalb vom Hubschrauberpndeplatz erkennt man auf etwa 10 Uhr den separat abzweigenden Gold Tresor. Die Struktur unterhalb vom Hubschrauberlandeplatz könnte ein Abwasserbecken sein.

Der Bunker selbst wurde in einer Rekordzeit von nur 18 Monaten errichtet. Das hat unter den kanadischen Bunkerbesuchern hämisches Gelächter hervorgerufen, denn Baugenehmigungen können in Kanada durchaus 5 Jahre auf dem Tisch irgend eines Beamten liegen, bevor etwas passiert.
Voreilhaft für den Standort war, dass der Bunker oberhalb der Grundwasserlinie errichtet werden konnte. Der Bau benötigt keine Entwässerung und ist komplett trocken.
Auf der Anlage sind zwei Funkantennen, der Bunker war aber zusätzlich mit eine Antenne im 60km weit entfernten Perth verbunden. Position vermutlich: 44.92965,-76.13988 (Google Maps) Im Kriegsfall wäre über Perth gefunkt worden, um das Anpeilen vom Regierungsbunker zu erschweren.
Heutzutage wird der Bunker immer noch als Funkstation benutzt: von Amateurfunkern, HAM im Kanada und den USA genannt. Callsign vom Diefenbunker: VE3CWM

Für den Notausstieg haben sich die Ingenieure etwas sehr interessantes einfallen lassen. Die Röhre runter in den Bunker befindet sich unter der Plexiglas Kuppel und ist mit kleinen Steinen gefüllt. Unten im Bunker gibt es einen Auslöser, der die Steine in eine tiefer gelegene Kammer entleert. Der Notausgang lässt sich nur unten im Bunker aktivieren, während der Kies den Bunker selbst vor einer Kontamination und Eindringlingen schützt.
Bei einem Besuch im Bunker fragt man sich natürlich, ob heutige Regierungen immer noch geheime Atombomben sichere Bunker haben. Ich halte das für durchaus möglich, es spricht aber auch einiges dagegen.
Insbesondere drei Entwicklungen haben dafür gesorgt, dass Regierungs Atombunker aus der Mode gekommen sind. Erstens standen den Militärs spätestens seit den 1990er Jahren leistungsfähige bunkerbrechende Waffen (Wikipedia) zur Verfügung, die selbst 50 Meter dicke Betonwände durchdringen können. Zweitens wurde die Aufklärung von Zielen durch Beobachtungssatelliten massiv verbessert. Eine Geheimhaltung solcher Anlagen ist heutzutage kaum noch möglich. Drittens sind Waffen, so auch Atomraketen, viel präziser geworden.
In den 60er Jahren konnten sich darauf verlassen, dass Atomraketen nach einem Flug von 3000 Kilometern wahrscheinlich in einem Umkreis von 2 bis 5 Kilometern neben dem Bunker einschlagen würden. Katastrophal für eine Stadt, aber in einem Atombunker wie dem in Carp durchaus überlebbar. Die Anlage war für Atomsprengköpfe bis 5 Kilotonnen TNT Äquivalent (bereits eine ziemlich grosse Atombombe) im Abstand von ein paar Kilometern ausgelegt.
Ein direkter Treffer hätte den Bunker jedoch vernichtet und das wäre mit heutigen, GPS gesteuerten Waffen absolut sicher. Vielleicht hat sich ja auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein globaler Atomkrieg für die Menschheit eben doch nicht gewinnbar oder langfristig überlebbar wäre.
Alle leicht zu erreichenden Rohstoffe vom Planeten Erde sind abgebaut – und fast das gesamte Öl als einfach zu erlangender Energieträger ist verbrannt. Das auslöschen der derzeitigen Zivilisation würde die Menschheit daher dauerhaft in die Steinzeit zurück versetzen. Weil Industrien wie Tiefbergbau, Raumfahrt oder Luftfahrt nicht wiedererlangt werden könnten.
In den 60er Jahren waren die Politiker in der Hinsicht jedoch viel optimistischer. Oder naiver.
Webseite vom Diefenbunker: www.diefenbunker.ca
Reportage vom Besuch des Atombunkers Ligatne in Lettland:
www.25u.de/lettland-im-geheimen-atombunker-ligatne

Last not least mochte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinem Guide Gilles Courtemanche bedanken. Er hat mir viele Details erklärt, die mir zunächst unverständlich waren und ist nochmal extra mit mir los, um mir den Maschinenraum zu zeigen.