Allein verreisen oder zu zweit ? Vorteile & Nachteile

Ich bin eigentlich immer allein unterwegs.

Aus dem einfachen Grund, weil ich im Gegensatz zu den meisten Menschen im Moment sowohl zeitlich als auch beruflich ungebunden bin. Und ich stecke nicht in irgend einer Partnerschaft oder anderen Verpflichtungen. In diesem Artikel hab ich mir Gedanken darüber gemacht, welche Vorteile und Nachteile es hat, allein unterwegs zu sein – gegenüber der Reise zu Zweit.

In der freien Wildbahn lassen sich unterwegs meist folgende Konstellationen beobachten: Alleinreisender (Alleinreisende), Pärchen, Reisegemeinschaft aus zwei Freunden oder Freundinnen. Oder: als Familie.

Allein unterwegs zu sein bietet viele Vorteile, hat aber auch Nachteile und Risiken.

Allein unterwegs als Single, die One-Man-Show:

Du möchtest mit dem Fahrrad zum Südpol fahren, so wie es die Extremsportlerin Maria Leijerstam im Jahr 2013 gemacht hat ? Dann bist zu zwar auf dich allein gestellt und auf dem kalten Eis spektakulär einsam unterwegs, aber niemand redet dir dein Vorhaben aus oder quasselt rein. Die Zeitdauer, die Reisegeschwindigkeit, das Budget und das Reiseziel (z.B. Südpol) bestimmst du allein. Spontane Änderungen: wie es dir gerade einfällt.

Allein zu Reisen hat vor allem den Vorteil, sich nicht absprechen und keine Rücksicht auf gegenseitige Wünsche nehmen zu müssen. Besonders schöne Momente teilt man dann aber nur mit seinem Fotoapparat. Und gute Einfälle muss man ebenfalls allein haben, gegenseitige Inspirationen gibt es nur zu zweit. Allein hat man sprichwörtlich weniger zu lachen.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass man allein jedoch eher von den Lokals angesprochen wird. Die Hemmschwelle, aus Neugier einen Kontakt aufzubauen scheint niedriger zu sein, als wenn man erkennbar als Pärchen unterwegs ist. Es ist ja auch leichter, sich nur auf eine Person einlassen zu müssen. Allein gibt es jedenfalls fixer eine Einladung zum Essen oder einfach den Vorschlag, die Gemeinschaft zu teilen. Bei Polizei Kontrollen oder bei Grenzübertritten hatte ich bislang das Gefühl, dass man ebenfalls einen gewissen, speziellen Respekt erfährt, wenn man sich als Alleinreisender zu erkennen gibt. Um das Gastland komplett auf sich allein gestellt zu bereisen. Ein gewisses Erstaunen + Respekt war fast immer spürbar.

Auf der anderen Seite hat man allein natürlich weniger Fighting Power und kann schneller Opfer werden, wenn es irgendwo mal nicht so nett zugeht. Wobei kaum jemand alleine in Länder reisen wird, in denen es erforderlich ist, eine Nachtwache aufzustellen. Risiken lassen sich aber durch richtiges Verhalten reduzieren. Ein paar clevere Tipps dazu hab ich in folgendem Artikel zusammen gefasst:

Maximale Sicherheit unterwegs, Richtiges Verhalten und Tricks gegen Räuber und Diebe

Alleine fehlen jedenfalls zwei weitere Hände beim Reifenwechsel. Oder wenn man (wie ich) versucht, in Andorra im Weg liegende Steinbrocken mit einem immer wieder abrutschenden Abschleppseil von einer Gebirgsstrasse zu zerren. Da wäre ein weiteres Paar zupackende Hände echt super und es ein cooles, gemeinsames Abenteuer gewesen.

^^ da haben zum Durchfahren tatsächlich ein paar Zentimeter gefehlt, auch wenn es auf dem Foto nicht so aussieht. Ich hab den Stein dann mit dem LKW weggezerrt. Kurz vor Andorra, in den Bergen.

Wenn man allein unterwegs ist, macht man jedenfalls erstaunlich viele Bekanntschaften. Allein deshalb, weil man permanent draussen unterwegs und immer in Bewegung ist. Reisende erkennen sich auch. Bei fast allen meinen Reisen haben sich interessante Begegnungen und spontane Reisegemeinschaften ergeben. Im Iran wurde mit Werner und Shabnam, in Schweden mit Max und in Frankreich mit der Familie von Marcus eine kurzzeitige gemeinsame Reise und geteilte Zeit daraus.

Nette Menschen lassen sich überall auf der Welt kennenlernen. Warum soll man sich da jemanden von zu Hause mitbringen ? [okay, wegduck …]

So oder so stärkt es das Selbstbewustsein, den Mut und die positive Selbstwahrnehmung, wenn man egal ob als Mann oder als Frau als Singlereisender im Ausland unterwegs ist.

Pro & Contra vom Reisen zu zwei: unterwegs als Pärchen

Jeder, der mit Pentium Notebooks gross geworden ist weiss: eine Dual-Core CPU hat einfach mehr Power, weil sich ein Kern um das Betriebssystem kümmern kann und der andere um die Anwendung. So ist es auch auf Reisen zu zweit: vier Augen sehen mehr als zwei. Während der eine das Fahrzeug lenkt und den Blick auf den Verkehr hat, kümmert sich der andere um die Navigation. Und checkt gleichzeitig nebenbei die weitere Umgebung. Oder sorgt sich um Snacks zwischendurch, wenn die Zeit knapp ist und durchgefahren wird, um die Fähre zu erreichen.

Überhaupt kann man sich zu zweit beim Fahren abwechseln oder beim freischippen des im Sand versenkten Trucks. Erkrankt ein Partner ernsthaft, kann der zweite immer noch das Fahrzeug Richtung Krankenhaus / Flughafen steuern oder als Hobby Krankenpfleger einspringen. Denn eine deftige Grippe fängt man sich schnell ein, genau so wie einen verdorbenen Magen. Beides reicht, um einen für ein paar Tage auszuknocken. Gut, wenn der zweite CPU Kern zu dem Zeitpunkt noch Ressourcen frei hat.

Zu zweit reisen hat finanzielle Vorteile: die nicht unerheblichen Betriebskosten für das Fahrzeug oder gar notwendige Reparaturen kann man sich teilen. Ein Doppelzimmer auf einer Fähre ist unterm Strich günstiger als zwei Einzelzimmer. Zu zweit oder zu dritt unterwegs zu sein spart daher Geld beim Mietwagen oder einem Taxi. Ausserdem beim mondänen Hotelbesuch mit Sauna zum ausspannen und selbst beim Kochen. Ich koche z.B. immer ungewollt für zwei und schmeisse dann viel weg – oder esse zu viel.

In Krisen kann man sich zu zweit gegenseitig trösten oder Mut machen. Und tolle Momente gemeinsam erleben. Als Pärchen verbringt man einen komplett verregneten Tag dann einfach gemeinsam im Bett – mit ganz vielen Zärtlichkeiten.

Gemeinsam überstandene und gemeisterte Desaster wie beklaut werden und den Dieb jagen oder „Pech an der Grenze“ schweissen einen dann richtig zusammen. Wie Pech und Schwefel. Dazu kommt, dass jeder seine Fähigkeiten einbringen kann. Ich alleine würde nie auf die Idee kommen, auf einem Pferd zu reiten oder tauchen zu gehen. Das ist nur ein Beispiel für Denkanstösse, wenn zwei unterschiedliche Menschen gemeinsam unterwegs sind.

Dafür kann beim Paar oder wenn man in der Konstellation „zwei Freunde“ unterwegs ist mehr Stresspotential in der Luft liegen. Immerhin lebt man wochenlang auf engstem Raum zusammen. Beim Militär klappt sowas nur mit Drill, idiotischen Routinen und klar geregelten Hierarchien. Wenn Mr.Choleric mit Mrs.Superzicke auf Reisen geht und keiner nachgibt, kann es bereits auf halbem Weg nach Dänemark in der Kabine knallen.

Meiner Erfahrung nach entzündet sich Streit am ehesten an den folgenden Punkten:

1) unterschiedliche oder nicht genau vereinbarte Reiseziele

Selbst bei frisch verliebten Pärchen sollte vor einer Reise festgelegt werden, welche Ziele gemeinsam erreicht werden sollen. Welche Orte werden bereist, welche Sehenswürdigkeit oder welches Erlebnis ist wichtig, welche Zwischenstopps werden für Fotos eingelegt.

Rüdiger Nehberg macht in seinem Buch „Survival“ sogar den Vorschlag, bei Reisegruppen einen Vertrag auszuarbeiten, den alle unterschreiben. Ich würde mindestens dazu raten, auf einem Din A3 Blatt einen „Masterplan“ anzulegen, in dem die zu erreichenden Ziele notiert, aufgemalt und festgelegt werden. Das kann ein schönes Reiseandenken werden, wenn eingetragen wird, an welchem Datum man wo war und zusätzlich noch ausgedruckte Fotos, Vogelfedern und Souvenirs eingeklebt werden.

2) unterschiedliche Vorstellungen über Hygiene. Lieber Hygge als Hygiene ?

Wer macht schon wieder den Abwasch ? Darf der Hund mit ins Bett ? Stinkt die Hose bestialisch oder geht sie noch, wie oft wird die Wäsche gewaschen ?

Je geringer der Platz in der Wohnkabine, um so eher nerven unabgewaschenes Geschirr, fehlender Platz für dreckige Wäsche und ein auf Grund von Schlaglöchern vollgekleckerter und durchgeschüttelter Kühlschrank, der nach einer profi Grundreinigung verlangt.

Da hilft nur ein genau besprochener und diszipliniert eingehaltener Putzplan für beide, wie in einer WG.

Oder klar geregelte Kompetenz & Arbeitsteilung: er fährt und sie kocht & putzt ist ziemlich typisch.

3) unterschiedliche Reisegeschwindigkeiten

Er hat keine Ruhe, nur das Reiseziel im Blick und fährt 10 Stunden auf der Autobahn durch, sie will Land und Leute kennen lernen und zwischendurch wenigstens Mal einen Tag verweilen und Yoga machen. Speziell wenn die Fahrt nach Kasachstan in den dreiwöchigen Jahresurlaub gequetscht werden soll kann von Erholung keine Rede sein, Streit ist dann vorprogrammiert.

Ich finde zwei Fahrtage mit maximal 8 Stunden auf der Strasse abwechselnd mit einem Stehtag sinnvoll, wenn man bei der Anreise ist. Und mindestens zwei bis drei Stehtage und nicht mehr als ein kurzer Fahrtag, wenn man im jeweiligen Reiseland unterwegs ist. Auf vielen meiner Reisen bin ich aber auch länger geblieben, bis zu zwei Wochen an einem Standplatz, wenn es mir irgendwo ganz besonders gut gefallen hat.

Ich hatte allerdings auch ganz viel Zeit. Ich persönlich bin sowieso jemand, der auch gerne Mal einfach nur so einen Tag vertrödelt mit chillen und nichts tun. Dazu rate ich dir auch, kann aber sagen, dass jeder seine eigene Reisegeschwindigkeit finden und mit dem Partner abstimmen muss.

Fakt ist jedenfalls, dass man unterwegs oft ungewohnte Entscheidungen treffen muss. Ständig unter Stress, selten läuft alles glatt und an jeder Ecke warten Überraschungen. Ohne Pausen zwischendurch und Ruhephasen erleidet man schnell Reisestress / Reiseburnout.

Die Abenteuer, die man eines Tages seinen Enkeln am Kamin erzählen möchte, sind live erlebt erst Mal ziemlich aufregend. Mit diesem Stress muss man lernen, umzugehen. Als Pärchen kann man sich daran aufreiben – oder gemeinsam daran wachsen. Wichtig ist es, Rücksicht auf die Bedürfnisse des anderen zu nehmen und sich gegenseitigen Freiraum zu gönnen. Dazu gehören unterwegs viele Ruhephasen, um das Erlebte zu reflektieren. Mit genug Schlaf, Freiräumen und in aller Gemütsruhe zubereiteten Mahlzeiten.

Die Nachteile – beider Reiseformen – werden meiner Meinung nach bei Gruppenreisen / Busreisen vereint !

Man ist in seiner Entscheidungsfreiheit und Spontanität maximal eingeschränkt, weil alles genau geplant ist und man dem Gruppenzwang unterliegt. Gleichzeitig muss man sich auf engstem Raum nicht nur mit einem Reisepartner einigen, sondern gleich mit einer ganzen Gruppe. Okay, es kann gut organisiert sein und in der Gemeinschaft bestens laufen, aber für mich sind durchgeplante Gruppenreisen das exakte Gegenteil vom individuellen Reisen im improvisiert ausgebauten ex-Militär LKW.

3 Kommentare

  1. So ist es, lieber Christian. Den richtigen Partner zum Reisen zu finden ist nicht leicht und wenn man nicht Kompromiss bereit und tolerant ist, dann besser alleine. Zu Bedenken ist auch das die zwangsläufig Intimität, auch bei Gelegenheiten, die tief unter den Lack schauen lassen. Es bedarf schon einer besonderen Tiefe der Beziehung, wenn man die Maske fallen lässt oder fallen sieht.
    Es grüßen Dich herzlich Matthias & Lidija

  2. Sehr durchdachte Gedanken! Hätt ich mir nie vor einer Reise gemacht. Das muss unbedingt meine Partnerin lesen. Danke, Christian!

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