Partner Programme & Affiliate Marketing

Früher, ich meine vor 2000, war die Werbewelt irgendwie noch ganz in Ordnung. Es gab draussen Plakate und drinnen Fernsehwerbung und für draussen wie drinnen Anzeigen in der Zeitung. Diese Anzeigen haben sich an ein möglichst grosses Publikum gerichtet, mit frohen Werbebotschaften, die irgendwie zu allen passten. Trinkt Bier, das neue Auto, cool gucken mit Zigarette oder was man sich kaufen muss, um gut zu riechen.

Kaufland Werbung zur Weihnachtszeit mit Vorzeigefamilie und Gänsebraten
Essen zu Weihnachten. Mit glücklichen Konsumenten in einer produktbezogenen Situation. Man beachte die Zahnspange am Vorzeigesohn und die hübsche Schleife im Haar der Tochter. Ganz frech: der Kleinste will schon Mal vorab naschen. Diese Kaufland Plakat Werbung ist im Vergleich zum smarten Affiliate Marketing so dermassen Oldscool, dass es schon wieder irgendwie schön und erfrischend ist …

Plakatwerbung, das war vorgestern. Die wesentlich verbesserte Werbung läuft heute im Internet und durch Influencer. Originell, günstiger und präzise zugeschnitten. Um wie viel verbesserter die Werbung 2.0 durch Affiliate und Partnerprogramme ist, hat sich dabei noch gar nicht so richtig herumgesprochen.

Mal angenommen, Du interessierst dich für ein Vanlife Internet Blog und hoffst auf kluge Ratschläge oder Abwechslung. Dann kannst du dir heutzutage sicher sein, über Google ein Blog vorgesetzt zu bekommen, was einer mit Kauflinks garnierten Einkaufsliste gleicht. Verbunden mit der Bettelei, doch bitte das ach so dringend benötigte über den Link zu Amazon zu kaufen. Wegen der „Serverkosten“. Denn vor allem Amazon ist mit diesem System mächtig geworden.

Im Gegensatz zu langweiligen Plakaten bekommt man genau die Werbung vorgesetzt, die zu einem passt.

Falls der Interessent über den präparierten Link das Amazon Angebot aufruft und darüber ein Kauf zustande kommt, erhält die werbende Webseite eine kleine Provision. Die Infuencer haben natürlich schnell begriffen, dass eine geschönte, mit Begeisterung geäusserte Rezension eher für clicks auf den Produktlink sorgt als eine kritische Rezension. Oder man verlinkt gleich von Anfang an Artikel, die bei Amazon gut bewertet werden und eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, einen Kauf zu triggern.

Anstatt über den Zuckeraustauschstoff Xylit zu berichten, dass er süss schmeckt + weniger Kalorien als Industriezucker hat, aber auch abführend wirkt und Gift für Hunde ist erfährt man blumig ausgeschmückt: „Birkenzucker“ (Xylit wird aus Birkenholzresten und Maiskolbenresten synthetisiert) spart unglaublich Kalorien, schont die Zähne beim süssen, ist nicht nur süss, sondern ist Zucker++, schmilzt als Geschmacksexpolsion auf der Zunge, ist der Paradigmenwechsel in der Welt des zuckersüssen Genusses, unglaublich vielseitig verwendbar, zum backen, für den Nachtisch, zum Naschen zwischendurch, das alles ohne dick zu werden, perfekter veganer vanlifestyle … und so weiter. Normaler Zucker ist übrigens auch vegan.

Ausserdem ist es vom Vorteil, eine Riesenliste mit Produkten zu präsentieren, um möglichst viele clicks in Richtung Amazon zu erzeugen. Jeder Vanlife Influencer, der halbwegs gescheit ist, präsentiert daher prominent eine „Packliste – Was in keinem Camper fehlen darf“, und füllt diese mit über 100 Artikeln und dem potentiellen Bedarf für die mobile Küche, Draussen, das rollende Büro und den Hund.

Einerseits ist es natürlich bequem, sich auf diese Weise seinen Vanlife Camper Krempel zusammen zu clicken. Aber zwei Dinge sollte man dabei wissen: A) erhält man nicht unbedingt den besten Preis und B) kann die Empfehlung geschönt sein. Siehe weiter oben. Und ein fantastisch aufgemachtes Blog mit tollen Urlaubsbildern verleitet zu unüberlegten, spontanen Einkäufen. Unterwegs sein kann Stress und harte Arbeit bedeuten, den Leuten wird es als Traum bei immer gutem Wetter verkauft.

Mit Konsum Zeugs, was man vielleicht gar nicht braucht. Wie einem Antennenverstärker, Laptopständer, WiFi Internetrouter (hat jedes Handy eingebaut), beheizbarer Sitzauflage und so weiter.

Für den profitgierigen Vanlifer hat das den Vorteil, ohne Kapitaleinsatz, Steuererklärung, Angestellte und einer Buchhaltung – dafür aber mit Null Risiko und Haftung – einen „Shop“ aus links zu Amazon betreiben zu können.

Wäre es dagegen nicht viel besser, mit praktisch nichts loszufahren und dafür die Hängematte oder handgemachte Gewürzdosen unterwegs zu kaufen ? In meinem Truck hängt ein Rentierfell aus Norwegen, hab ich von einem lokalen Jäger in Undredal gekauft. Anstatt vorab irgend einen Teppich aus China über Amazon zu beziehen. Lokal kaufen ist authentisch und stärkt sympathische Kleinbetriebe im Gastland. Und nicht den amerikanischen Internetkonzern Amazon, der nur seinen Aktionären verpflichtet ist und mit allen Tricks Steuern spart.

Aus Sicht von Amazon sieht es total komfortabel jedenfalls so aus:

Die Infuencer machen kostenlos zielgerichtete Werbung und eine mickrige Provision muss nur bezahlt werden, wenn der Influencer erfolgreich vermittelt hat. Amazon hat daher „Mitarbeiter“, die umsonst arbeiten, kostenlos Werbung schalten und nur bei Erfolg bezahlt werden. Diese muss sich Amazon noch nicht einmal selbst suchen, die kommen von ganz allein angewatschelt.

Wie gnadenlos brillant ist dieses System bitte ?

Dabei kann Amazon steuern, welcher Händler den Shop Artikel verkaufen darf. Das kann derjenige mit dem besten Preis, aber auch derjenige mit der besten Marge für Amazon sein. Selbstverständlich verfügt nur Amazon selbst über die Verkaufszahlen insgesamt. Falls ein Artikel zu gut läuft, übernimmt Amazon gerne auch Mal den Verkauf des Artikels komplett und bootet die Händler aus. Den hauptsächlichen Gewinn hat immer Amazon, idealerweise mit in China fabrizierten Eigenmarken wie „Amazon Basics“.

Für Produktrezensionen sorgen die Kunden, freiwillig und gratis. Amazon muss nur die Plattform zur Bewertung bereit stellen und den Käufern (oder wem auch immer) suggerieren, ihre Meinung wäre „wichtig“. Es ist dabei egal, wenn überdurchschnittlich oft schlecht bewertet wird. Erstens trifft das alle Produkte, zweitens trifft es besonders schlechte Produkte doppelt und drittens verdient Amazon trotzdem. Denn irgendwas muss der Kunde ja schlussendlich kaufen, wenn z.B. der Toner vom Drucker leer ist.

Die Händler im Amazon System stehen in für Amazon gesunder Konkurrenz zueinander und werden engmaschig überwacht. Jeder Händler hat exakte Vorgaben, wie schnell er zu versenden hat. Selbst mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Tonfall eMails beantwortet werden wird überwacht. Der Händler erhält nach dem „need to know“ Prinzip dabei nur die Daten, die er konkret für die Abwicklung des Auftrags braucht. Daher die Adresse für den Versand und eine verschlüsselte Einweg eMail Adresse für die von Amazon überwachte Kommunikation mit dem Kunden. Funktioniert eine der Händler Ameisen nicht mehr richtig macht Amazon kurz „patsch“ und die verbliebenen Händler Ameisen übernehmen fleissig die Aufgabe.

Amazon hat inzwischen eine unangreifbare Grösse erreicht. Waren werden praktisch ohne Einfuhrzölle z.B. über UK oder Osteuropa importiert, womit sie dann einmal im Schengen Raum angekommen mit höheren Gewinnen verkauft werden. Amazon Lager, die von den Händlern gegen eine Gebühr mitbenutzt werden können, sind über ganz Europa verteilt. Damit laufen Streiks für bessere Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter ins Leere. Weil Artikel ebenfalls quer über Europa verteilt eingelagert sind und bei der Bestreikung von einem Lager einfach auf die nächste Lieferkette mit vergleichbaren Artikeln umgeschaltet wird. Streiks von Verdi sind daher reiner Aktionismus und bestenfalls PR Aktionen. Die diversen Gewerkschaften sind nicht europaweit vernetzt und unserer Zeit locker 25 Jahre hinterher.

Schlimmer noch: die hiesigen Gewerkschaften veranstalten plakativ fröhliche Trillerpfeifen Streiks gegen die sowieso schon völlig gebeutelten Händler in den Innenstädten. Diese haben komplett andere, wesentlich höhere Kosten als Onlinehändler. Sie sind schwach und leicht angreifbar.

Unserer Regierung ist dieses Treiben nebenbei gesagt völlig gleichgültig. Jeff Bezos, der Boss von Amazon, kann sich daran erfreuen, der reichste Mann der Welt zu sein.

Insgesamt leidet unter diesem ganze Affiliate und Partnerprogramm System jedenfalls die Qualität der Berichterstattung in allen Blogs. Ich habe hier (abgesehen von Urlaubsberichten) über meine Reiseapotheke, den Ärger mit SIGA Batterien und eine mysteriöse Unfallserie mit plötzlich fehlenden Apfelbäumen in Langreder geschrieben. Keiner dieser Artikel hätte sich ernsthaft für die Verlinkung von Konsumzeugs geeignet. Denn: Medikamente dürfen nur in der Apotheke mit Rezept verkauft und nicht beworben werden. SIGA Batterien kann ich überhaupt nicht empfehlen. Und die Geschichte in Langreder war einfach zu spooky.

Profitorientierte Blogger oder Youtuber bringen daher tendenziell eher Berichte, die unkritisch sind und die Verlinkung von Produkten ermöglichen. Eigenwillige Beiträge sind finanziell kontraproduktiv.

Für mich liegt dieser ganze Schiet zum Glück in der Vergangenheit. Ich war lange (und auch sehr gerne) Händler, bei eBay / Amazon. Inzwischen bin ich aber froh, ein anderes Leben zu führen, unabhängig davon. Anstatt bis 65 plus Herzinfarkt immer so weiter zu machen hab ich mich eines Tages entschieden, mich statt dessen hinter das Lenkrad von einem schweren, militärischen Allrad LKW zu klemmen – und einfach los zu fahren.

Zeit und Unabhängigkeit – ist wertvoller als Geld. Daher ist dieses Blog bislang werbefrei und ohne Affiliate Links.

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