Eine Reisereportage zur verlassenen Heringsfabrik Djupavik, in den Westfjorden Islands. Früher Fischmehlfabrik – heute Museum, Hotel und Heimat für Kunstprojekte am Ende der Welt. Diese 1935 mitten im Nirgendwo errichtete Fabrik aus der Hering Ära ist ein liebevoll wiederbelebter Lost Place und spannender Fotospot in Island – und unbedingt einen Besuch wert.

Wenn man die Fabrik, die seinerzeit eine der modernsten Fischverarbeitungsfabriken Europas war betrachtet kann man sich kaum vorstellen, wie diese überhaupt im stillen Reykjarfjördur Fjord erbaut wurde. Heute führt eine Piste hier raus, die den schlichten Namen 643 hat. Damals vor 90 Jahren gab es: nichts. Keine Anlegestelle, keine Strasse, kein Flugfeld – rein gar nichts. Nur Heringe im salzigen Wasser und eisige Wildnis.
Trotzdem wurde in einer logistischen Meisterleistung tonnenweise Baumaterial wie Beton, Stahl, Steine und Maschinen für die Fischverarbeitung hier her bewegt. Nicht nur die Fabrik selbst wurde errichtet, sondern auch Unterkünfte für die Arbeiter und Arbeiterinnen, Büros, Anlegestellen für Schiffe und Lager. Die Arbeiter vor Ort mussten nicht nur mit einer Unterkunft, sondern auch mit Lebensmitteln versorgt werden.
Die Logistik dahinter ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Jeder Nagel, jeder Stein, jedes notwendige Stück Werkzeug musste zur richtigen Zeit auf der Baustelle sein, um die riesige Fabrik vor Wintereinbruch fertig zu stellen. Das alles zu einer Zeit, als Computer oder Taschenrechner noch nicht erfunden waren und die einzige Möglichkeit einer Kommunikation der Einsatz von Boten auf einem der berühmten Islandpferde war.




Etwa um 1950 waren die Gewässer um Island leer gefischt oder die Hering Schwärme weiter gezogen. Das Ende der isländischen „Herings Ära“ besiegelte damit auch das Schicksal der Fischmehl & Fischöl Fabrik in Djupavik. Nach 1960 stand die Fabrik leer. Aus seinem Dornröschenschlaf wurde der Fabrikkomplex erst im Jahr 1985 erweckt, nachdem das Gelände durch die Familie Þorgilsson übernommen wurde.
Über die Hering Ära in Island gibt es in Siglufjördur ein sehr sehenswertes Museum. Die beste Beschreibung dazu hab ich in der englischsprachigen Wikipedia (Webseite) gefunden.



Produziert wurde in der Anlage sowohl Fischmehl als auch Fischöl. Fischmehl (Wikipedia) enthält bis zu 70% Proteine und wird als begehrtes Futtermittel in der Viehzucht oder in Aquakulturen eingesetzt.

Nur wie haben sie dieses 160 Tonnen schwere Ungetüm in die abgelegenen und komplett gottverlassenen Westfjorde bekommen ? Die Antwort dazu hat der Sohn von Asbjörn Þorgilsson, der täglich um 10:00h Führungen durch die Fabrik macht.
Der runde Ofen wurde gerollt und immer dort, wo der oben stehende Zylinder die Erde berührt hat wurde ein Loch gegraben. Das haben sie quer durch die Berge der Westfjorde so gemacht, bis der Ofen nach wochenlanger, extrem mühsamer Arbeit in Djupavik angekommen war. Eine in heutiger Zeit unvorstellbar harte Plackerei.

Die Fabrik ist sehr weitläufig. Ich durfte einen spontanen Abstecher in eins der Lagerhäuser machen. Dort herumzuklettern ist eigentlich nicht Bestandteil der regulären Führung. Ich hab in der Halle, die wie eine Zeitkapsel ist, ein paar interessante Fahrzeuge entdeckt !


Noch mit Walzentachometer Fieberthermometer Tacho ! 🙂


Das Bild ist aus dem Jahr 2022, als in einem der Tanks diese wunderschöne Kunst Installation aus rosa Quallen war. Diese ist inzwischen verschwunden.

Einerseits ist die Fabrik mit den erhaltenen Artefakten einen Besuch wert. Andererseits sind es die wechselnden Ausstellungen oder manchmal sogar Konzerte, die Djupavik sehenswert machen. Als drittes ist das Hotel Djupavic (Webseite) selbst zu nennen, was hier draussen am Ende der Welt ein gemütlicher Aussenposten der Zivilisation ist.
Man bekommt Frühstück, Getränke und Abends etwas leckeres zu essen. Übernachten im Camper ist offiziell nicht erlaubt, wird aber auf einer Rasenfläche neben einem kleinen Garten oberhalb vom Ort geduldet. Kein Campingplatz, aber ich hab mich mit meinem Fahrzeug trotzdem willkommen gefühlt.





Nur wenige Menschen sind in den Westfjorden zuhause. Ein paar Kilometer von Djupavik entfernt beginnt das nur für Wanderer zugängliche Naturschutzgebiet. Vor allem Fischer wohnen in den Westfjorden oder Isländer, die hier ein Wochenendhaus haben.

Etwa 35 Kilometer weiter nördlich gibt es jedoch ein weiteres Highlight: Krossnesslaug. Das ist ein direkt am Meer gelegenes Schwimmbecken mit Hotpot – und eine der abgelegensten Badestellen überhaupt in Island.
Falls Du mehr über die Badestellen mitten in der Natur wissen willst: meine persönlich recherchierte Liste mit 45 Badestellen im Norden Islands

Auf der Webseite vom Hotel ist eine Galerie mit sehr vielen Bildern aus den 1930er Jahren: www.djupavik.is/en/gamli-timinn-myndir
Moin,
Der Benz hat einen Fieberthermometer- Tacho. Nen Walzentacho hatte z. B. der Citroen CX ab 1974 bis etwa 1985.
Schöne Grüße,
Carsten
Lieben Dank für die Ergänzung !